Direkt zur Navigation | Direkt zum Inhalt

Diese Internetpräsenz wurde mit Cascading Style Sheets (CSS) gemäß den Empfehlungen des W3C (World Wide Web Consortium, www.w3.org) formatiert. Sie benutzen einen ältere Browser (z.B. Netscape 4.x) der CSS nicht oder nicht korrekt interpretiert. Sie können trotzdem alle Texte lesen und die Navigation benutzen. Sie sollten, wenn möglich, einen aktuellen Browser installieren.

Unglaublich wahre Grotesken aus Spanien

Wie es mir gelang, die spanische Gasgesellschaft zu überlisten.

In einer außerolympischen Wertung verleihe ich im Geiste pro Quartal einmal Gold für den giftigsten Umgang mit Kunden. Natürlich ist die Auswahl stark subjektiv. Natürlich hat bis heute niemand die Ehrung leibhaftig entgegen genommen, bei der ich als Preis eine Urkunde, KEIN Gold und eine exklusive Zuchtkultur aus Krätzemilben überreichen würde. Auf der obersten Stufe des Unruhms in Spanien haben bereits die lokale Post, das Bürgeramt, der Handyanbieter meiner Frau und ein Chinarestaurant gestanden. Die ewige Siegerliste führen Kopf an Kopf die Gas- und die Stromgesellschaft an. Im abgelaufenen Quartal hat es neuerlich "GasNatural", die Gasgesellschaft, an die Spitze und damit endgültig in die "Hall of Shame" geschafft. Glückwunsch.

Ausgangspunkt war der Besuch des Gasablesers, der seine gewohnte Kurzarbeit im Haus verrichtete. Tage später kam die Zweimonatsrechnung, der Betrag war horrend: 480,62 Euro. Eigentlich bezahlen wir ein Fünftel davon, was Fragen aufwarf. Haben wir seit zwei Monaten unbemerkt und ohne zu schwitzen die Heizung auf Höchststufe angelassen? Oder steht unsere jüngste Tochter seither unter der heißen Dusche? Nein, hier lag ein Irrtum vor. Die Nummer des Zählers stimmte. Auch Grundpreis und Zählermiete – sprich: die politisch abgenickte Revolutionssteuer der Gasgesellschaft – entsprachen den gängigen Summen. Als Schluss blieb nur: ein Zahlendreher des Gasablesers. Doch den Zählerkasten unter dem Dach fand ich verschlossen vor. Wen informieren? Zur Wahl standen das Kundenzentrum in der Stadtmitte, das Servicetelefon und das Kontaktformular auf der Homepage von "GasNatural". Die Endloswarteschleife sprach gegen das Telefon, die spanische Praxis, Mails allenfalls nach mehrmaliger Nachfrage zu beantworten, gegen das Kontaktformular. Persönlich ist ohnehin besser, dachte ich, und wurde im Kundenzentrum von "GasNatural" in Pamplona vorstellig. Ich schilderte brav das Problem und sah mich unvermittelt in ein Gespräch verwickelt, das nur jene nachvollziehen können, die schon einmal im Kundenzentrum von "GasNatural" in Pamplona gewesen sind. Mentalitätsfremden sei vorausgeschickt, dass der Spanier Probleme gerne so rasch wie möglich vom Tisch wischen will. Und zwar vom eigenen. Blitzschnell wird der Ball dem nächsten zugespielt. Mit solcher Taktik ist Spanien schon Fußballweltmeister geworden.

Im Kundenzentrum stürzten Antworten auf mich ein, die ich wegen ihrer Behördenformeln nur verkürzt widergeben möchte:

"Nein, da können wir Ihnen nicht helfen."

"Nein, Sie müssen sich an das Servicetelefon wenden."

"Nein, nicht hier, wählen Sie zuhause das Servicetelefon an."

Meine Abschlussfrage lautete:

"Wozu ist Ihr Kundenzentrum eigentlich da?"

Antwort:

"Um neue Kunden zu gewinnen."

Womit das geklärt war und ich nach Hause zurückkehrte. Dort entschied ich mich, die Hochpreisnummer von "GasNatural" zu wählen. Nach einer gefühlten Stunde mit Musik und Bandansagen erklang eine Echtstimme. Dann stürzten damenschrille Antworten auf mich ein, die mir den Behördenton im Kundenzentrum rückblickend wie eine Audio-Wellnesskur vorkommen ließen. Dies hier grenzte an akustischen Sadismus.

"Nein, der Gasableser kann unter keinen Umständen noch einmal zu Ihnen kommen."

"Nein, selbst wenn es ein Irrtum gewesen sein sollte, wird die vorliegende Rechnung erst von Ihrem Konto abgebucht."

"Nein, sollte sich beim nächsten Ablesevorgang ein Fehler herausstellen, wird Ihnen die Differenz zurücküberwiesen. Falls nicht, nehmen Sie wieder Kontakt mit uns auf."

"Ich wiederhole: Der Gasableser kann unter keinen Umständen noch einmal zu Ihnen kommen."

Gegen Ende nahm die Stimme einen höhnischen Unterton an:

"Falls Sie sonst noch ein Anliegen haben, sind wir am Servicetelefon von GasNatural immer für Sie da. Rund um die Uhr. Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag."

So weit, so unschön, doch nach dem Ende des Telefonats sah ich den Rettungsanker unverhofft vor mir liegen. Unten rechts auf der Rechnung stand eine andere, kostenlose Telefonnummer von "Gas Natural", Abteilung Notfälle.

Es war direkt jemand dran.

"Ich glaube, bei uns tritt Gas aus", sagte ich kurz und knapp, nannte Namen und Adresse.

Zwanzig Minuten später stand der Notdienst von "GasNatural" vor der Tür. Zwei Männer. Bewaffnet mit Instrumenten und Werkzeugkasten. Bereit, der größten Gefahr zu begegnen. Irgendwie kamen sie mir wie die Geisterjäger im Film "Ghostbusters" vor – die Älteren werden sich erinnern.

Ich begleitete sie hinauf zu Rohren und Boiler.

"Ich weiß nicht genau wo, aber irgendwo muss Gas austreten", sagte ich so überzeugend wie möglich und setzte hinzu: "Ich bin mir nicht sicher, ob das von Belang ist, aber wir haben heute eine Rechnung erhalten, die fünfmal so hoch ist wie sonst. Irgendetwas stimmt nicht."

"Da wollen wir mal sehen", sagte der erste Nothelfer und schnüffelte laut hörbar umher wie sein Kollege.

"Also ich rieche nichts" sagte der andere nach einer Weile.

"Ich auch nicht", sagte der erste.

Dann kam ihm eine Idee.

"Kann auch ein Ablesefehler gewesen sein. Wo ist der Zählerkasten?"

Ich führte ihn hin, er schloss ihn auf, in Händen sein Ablesegerät. Kurz darauf lag kein Gasgeruch, sondern der Hauch von Triumph in der Luft.

"Ich kann dich beruhigen", sagte er würdevoll, duzte mich und legte mir kameradschaftlich eine Hand auf die Schulter.

"Dann bin ich ja beruhigt", sagte ich.

"Hier tritt nirgendwo Gas aus, da muss sich der Ableser zuletzt vertan haben. Wahrscheinlich ein Zahlendreher."

Sprach es, griff zum Handy, drückte eine Kurzwahl und flüsterte mir zu, bevor sich jemand meldete:

"Ich geb' den Fehler an die Zentrale durch. Die korrigieren das da sofort."